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Als Vegetarier / Veganer Muskeln aufbauen? Gibt es Nachteile?

Feb, 2021

Johannes Steinhart, Biomedizin (M.Sc.) & Trainer des Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung e.V.

Schließen sich Muskelaufbau und Vegetarismus/Veganismus kategorisch aus? – Nein, das ist ein weitverbreiteter Irrtum! Allerdings solltest du als Vegetarier / Veganer dein Augenmerk auf häufige Probleme legen und bei Bedarf deine Ernährung entsprechend anpassen.

Hinweis: Wir diskutieren hier nicht den ethischen Aspekt der vegetarischen oder veganen Ernährungsform. Das ist nicht Thema dieses Artikels. Auch Kommentare dazu werden nicht zugelassen.

Muskelaufbau als Vegetarier / Veganer – Ist es möglich oder gibt es Nachteile?

Aus Sicht des Muskelaufbaus interessieren den Körper nur die zugeführte Energiemenge (kcal) und die zugeführte Proteinmenge. Mit welchen Nahrungsmitteln dies bewerkstelligt wird, ist absolut zweitrangig.

Für das Training gilt bei Vegetariern und Veganern natürlich dasselbe wie für Allesesser. Alles dazu findest du in unserem Muskelaufbau Guide.

Häufiges Problem Nummer 1: Energiezufuhr bei Vegetariern / Veganer

Oft (nicht immer!) haben Vegetarier und vor allem Veganer Probleme, einen Energieüberschuss durch die Ernährung zu erzeugen. Das kann passieren, wenn man eine komplette Gruppe von Nahrungsmitteln aus der täglichen Ernährung streicht. Wer komplett auf tierische Produkte verzichtet, vermeidet damit neben tierischem Protein auch energiereiches tierisches Fett.

Für den Muskelaufbau ist es wichtig, dem Körper genügend Energie zur Verfügung zu stellen (vor allem im Fortgeschrittenen Stadium). Als Anfänger kannst du auch eine Zeit lang ohne Energieüberschuss Muskeln aufbauen.

Häufiges Problem Nummer 2: Proteinzufuhr bei Vegetariern / Veganern

Eine ausreichende Proteinzufuhr ist bei Vegetariern, aber vor allem Veganern, oft nicht gegeben. Das ist auch völlig logisch, wenn man eine Vielzahl von Proteinquellen aus der Ernährung streicht.

Für den Muskelaufbau empfehlen wir idealerweise ca. 2 g Protein / kg Körpergewicht. Das macht für eine 70 kg schwere Person 140 g Protein pro Tag. Theoretisch würden auch 1,6-1,8 g/kg reichen, allerdings empfehlen wir einen gewissen Puffer. Wenn du Vegetarier oder Veganer bist, solltest du einfach mal nachrechnen, ob du auf diesen Wert kommst.

Mehr dazu unter: Wie viel Protein/Eiweiß brauche ich pro Tag? Die optimale Menge

Die Lösung: Bewusstheit, Dokumentieren, Nahrungsmittel wählen

Als Vegetarier oder Veganer besteht relativ einfach die Gefahr, zu wenig Kalorien und/oder zu wenig Protein für optimalen Muskelaufbau zu sich zu nehmen.

Wenn man sich diesen Punkt jedoch bewusst macht, kann man aktiv dagegen steuern. Um einen Überblick zu bekommen, wie es für dich persönlich wirklich aussieht, hilft es deine Ernährung für einige Tage zu dokumentieren.

Benutze dafür entweder Stift & Papier oder Ernährungstagebücher wie http://fddb.info. Nach 3-4 Tagen hast du ein Gefühl dafür entwickelt, wie es um deine Ernährung bestellt ist.

Sofern du Probleme mit einer ausreichenden Kalorien- oder Proteinzufuhr hast, musst du dir Proteinquellen suchen, die in deine Ernährungsform passen.

Energiezufuhr steigern als Vegetarier / Veganer

Sofern du Probleme hast, genügend Kalorien zu dir zu nehmen, solltest du bewusst mehr hochverarbeitete Lebensmittel in deine Ernährung integrieren. Einfache Kohlenhydrate am besten kombiniert mit Fett, Zucker und Salz. Mit diesen Nahrungsmitteln ist es einfacher, viel Energie zuzuführen. Gerade flüssige Lebensmittel wie Saft, Vollmilch, Sojamilch oder Sahne sättigen bei weitem nicht so gut und können deshalb leichter in größerer Menge aufgenommen werden.

Deine komplette Ernährung sollte sich natürlich nicht nur auf diese Nahrungsmittel beschränken.

Du kannst auch mit anderen Nahrungsmitteln einen Energieüberschuss erzeugen. Wichtig ist nur, dass am Ende wirklich ein Überschuss entsteht.

Eiweißquellen für Vegetarier

Als Vegetarier kannst du auf Eier, Milchprodukte wie Quark, Joghurt, Käse, Sojaprodukte, Eiweißpulver oder auch Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen etc.) zurückgreifen.

Gerade als Vegetarier solltest du ohne größere Schwierigkeiten auf die gewünschte Eiweißmenge pro Tag kommen können. Wenn du eine Vielzahl der oben genannten Nahrungsmittel in deine Ernährung integrierst und dazu noch ein hochqualitatives Proteinpulver wie Whey Protein vor und nach dem Training einnimmst, sollte nichts mehr schief gehen.

Eiweißquellen für Veganer

Als Veganer wird es schon viel schwieriger. Du kannst bspw. Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen, Linsen etc.), Nüsse und Sojaprodukte essen und dir pflanzliche Proteinpulver besorgen (Soja-, Erbsen-, Reisproteinpulver etc.).

Durch den Ausschluss aller tierischen Produkte ist es nicht einfach, auf eine hohe Proteinzufuhr zu kommen. Wenn du allerdings immer ein Auge auf deinen Proteinkonsum hast, ist es durchaus machbar.

Allerdings gibt es da noch das Problem mit der biologischen Wertigkeit von pflanzlichen Proteinquellen.

Pflanzliche Proteinquellen haben eine geringere biologische Wertigkeit

Das Protein aus pflanzlichen Quellen besitzt eine geringere biologische Wertigkeit. Das bedeutet, der Körper kann das Protein aus Pflanzen weniger gut verwerten.

Bei einer normalen Mischkost musst du dir keinen Kopf darüber zerbrechen. Denn so lange die Gesamtmenge an zugeführtem Protein hoch genug ist, bekommst du automatisch genügend BCAAs (und darunter vor allem Leucin ab). Die Aminosäure Leucin ist die entscheidenste Aminosäure, um die Muskelproteinsynthese (Aufbau von Muskelgewebe) anzuregen. Weitere Artikel dazu auf Englisch: hier und hier.

Als Vegetarier bekommst du genügend Leucin und BCAAs ab, so lange du tierisches Protein (außer Fleisch/Fisch) zu dir nimmst. Wenn du als Veganer komplett auf alle tierischen Erzeugnisse verzichtest, wird es schon kritischer.

Viele pflanzliche Proteinquellen besitzen nur etwa die Hälfte an Leucin  im Vergleich zu tierischen Proteinquellen:

Pflanzlicher Proteinquellen: Leucin Anteil pro 100 g

  • Sojaproteinisolat (Eiweißpulver): 6,8 g Leucin / 100 g
  • Reisproteinpulver (Eiweißpulver): 6,7 g Leucin / 100 g
  • Kidney Bohnen (gekocht): 0,7 g Leucin / 100 g
  • Tofu (natur): 0,7 g Leucin / 100 g
  • Linsen (gekocht): 0,6 g Leucin / 100 g
  • Quiona: 0,8 g Leucin / 100 g
  • Erbsen (gekocht): 0,3 g Leucin / 100 g

Tierische Proteinquellen: Leucin Anteil pro 100 g

  • Whey Protein 10 g / 100 g
  • Hähnchenbrust: 1,7 g Leucin / 100 g
  • Rotes Fleisch (Rind): 2 g Leucin / 100 g
  • Hüttenkäse: 1,3 g Leucin / 100 g
  • Ei 1,1 g Leucin / 100 g

Wenn du dich als Veganer für den Muskelaufbau optimal ernähren willst (ohne tierisches Protein), müsstest du ca. die doppelte empfohlene Proteinmenge (3,2 – 3,6 g/kg Körpergewicht) zu dir nehmen. Da dies mit “echten Nahrungsmitteln” nur relativ schwierig zu bewerkstelligen ist, solltest du als Veganer ein pflanzliches Proteinpulver in Betracht ziehen, sofern du optimale Bedingungen für den Muskelaufbau erzeugen willst.

Ohne tierische Nahrungsmittel können Mangelzustände entstehen

Tierische Produkte liefern eine Reihe von Nährstoffen, die du sonst kaum über andere Nahrungsmittel bekommen kannst.

Das geht weit über die typischen (bekannten) Mangelnährstoffe wie Vitamin B12 und Eisen hinaus.

Zum Beispiel bekommen Vegetarierer / Veganer sehr wenig Kreatin und L-Carnitin über die Ernährung. Dadurch kann es zu Einschränkung der kognitiven Fähigkeiten oder zu einer Behinderung der Fettverbrennung kommen.

Deshalb empfehlen wir einige spezielle Supplements für Vegetarier / Veganer.

Zusammenfassung

Wenn du dich vegetarisch oder vegan ernährst, musst du nicht zwingend Nachteile beim Muskelaufbau befürchten. Du kannst genau so gut Muskeln aufbauen wie Allesesser, sofern du eine ausreichende Kalorien- und Proteinzufuhr gewährleistest. Als Veganer solltest du auch auf die Qualität (BCAA / Leucin Anteil) des zugeführten Proteins  achten.

Wenn du deine Ernährung während einiger Tage genau dokumentierst, siehst du schnell, ob du deine Ernährung optimieren solltest.

Wir empfehlen, typische Mangelnährstoffe von Vegetariern / Veganern durch Supplementierung vorzubeugen. Ob Supplementierung Sinn macht, ist abhängig vom Anteil tierischer Produkte in deiner Ernährung.

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Kommentare (6)

  1. Michael Walter sagt:

    Liebe Fitness-Experts,
    leider bin ich mir da nicht so sicher.
    Ich bin auch noch auf der suche nach einem Internet Artikel, der mir erklären kann, warum es keine Nachteile von veganem Bodybuilding gibt und zwar auch auf wissenschaftlicher Basis.
    Ich frage mich nur, wenn vegane Ernährung keine Nachteile hat, warum gibt es dann keine IFBB professional Bodybuilder die sich vegan Ernähren? Wenigstens einen müsste es doch geben wenn es stimmt dass man keine Nachteile hat.
    Ich bin mir sicher, dass mit der Ernährung ohne Fleisch Muskelaufbau möglich ist, jedoch nicht im selben Maße wie mit tierischer Ernährung.
    Deshalb bin auch ich hin und her gerissen, da aus ethischer Sicht die Veganer klar im Recht sind wenn man dass so sehen will, jedoch möchte ich Bodybuilding betreiben und kein „Fitness“.
    Mein Problem ist eben, auf jeder Wissenschaftlichen Seite auf der ich unterwegs bin kann mir über vegane Ernährung in Punkto Muskelaufbau nur Nachteile Aufweisen, wie z.B. die Gewinnung von Creatin-Phosphat, welches für die Herstellung bzw. die Rückgewinnung von ATP aus dem ADP und dem Phosphatrest vom Creatin.
    Das Problem ist eben, dass eben dieses Creatin-Phosphat in pflanzlicher Ernährung nicht zugenommen werden kann, und somit Supplementiert werden müsste. Jedoch ist meine Frage, ob diese Supplements überhaupt vegan Hergestellt werden, wenn Creatin in der Natur nur in Tieren vorkommt.

    Falls ihr mir so weiterhelfen könntet wäre ich Sehr dankbar,
    LG,
    Micha

  2. Lisa sagt:

    Liebe FitnessExperts,
    erstmal vielen Dank für diesen informativen und wie immer leicht verständlichen Artikel (auch wenn er jetzt schon etwas älter ist).
    Mich würde mal eure Meinung zu Hanfproteinpulver interessieren (gibt es z.B. im OnlineShop von myProtein). Hat Protein aus Hanf irgendwelche Vorteile / Nachteile? Mich schreckt bei Soja ja immernoch die (möglicherweise) phytoestrogene Wirkung ab..
    Vielen Grüße
    Lisa

    1. Dr. med. Dominik Dotzauer sagt:

      Vor Soja solltest du keine Angst haben – wie so oft wird da lauter Unsinn erzählt: http://examine.com/faq/is-soy-good-or-bad-for-me.html
      Kurzum: Keine Sorge, da wird Panik geschoben um Aufmerksamkeit zu bekommen (so wie die Fitnessindustrie eben funktioniert).

      Gesundheitlich würde ich empfehlen Whey zu nutzen (und Vegetarier statt Veganer zu werden). Ist auch insgesamt gesünder.

      1. Lisa sagt:

        Hallo Dominik,
        danke für die Antwort. Keine Angst, ich bin weder Veganer noch strenge Vegetarierin, nur offen für Neues und prinzipiell Alternativen zu tierischen Produkten nicht abgeneigt.
        Whey wird wohl trotzdem meine erste Wahl bleiben, hab vor ein paar Tagen zum ersten Mal den Sojashake von myProtein probiert und dieses leicht Zementige sagt mir dann doch nicht so ganz zu ;-)

  3. Andy sagt:

    Meine Empfehlungen:
    * Ernussmus pur mit wenig Honig, Chili und evt( für eine bessere Streichfähigkeit) Leinöl oder wenig Butter einrühren…
    * Magerquark mit Leinöl. (Süss oder pikant)
    * Tempeh( fermentiertes Sojaprodukt)
    Kann man zb. wie Chips in gutem Öl frittieren und mit Fleur de sel u. Rosmarin(Thymian) anrichten..
    * Bohnen mit Mais kombiniert
    * Linsen, Bohnen mit Getreide
    *Eier und Kartoffeln( Müssen nicht in einer Mahlzeit gegessen werden, wie früher behauptet) ..aber am gleichen Tag

  4. Tanja sagt:

    Schöner Artikel, finde ich gut, dass Ihr auch auf vegane und vegetarische Ernährungsformen eingeht :)
    Wer Probleme mit dem Erreichen der Energiezufuhr hat, dem empfehle ich die Verwendung von Nussmus (ob verarbeitet mit Zucker oder nicht, ist Geschmackssache und vom Ernährungsplan abhängig, ich bevorzuge die puren Varianten): Mandel, Erdnuss, Cashew. Wer nun nicht gerade auf besonders fettarme Ernährung achtet, kann damit auf jeden Fall einige Zusatzkalorien verspeisen.

    Viele Grüße
    Tanja

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Johannes Steinhart ist Master of Science (M.Sc.) in Biomedizin & Ernährungswissenschaften sowie Fitnesstrainer der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Seine Passion ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Abnehmen, Muskelaufbau und Gesundheit unabhängig, verständlich und praxisnah darzustellen und verbreitete Unwahrheiten zurückzudrängen. Johannes ist Gründer von science-fitness.de (SF). Jedes Jahr erreicht er über 2 Mio. Leser. Außerdem ist er Autor von aktuell 6 Büchern. Mehr.

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