Muskelkater – Muskelwachstum? Weitertrainieren oder pausieren? Was dagegen tun?
Johannes Steinhart, Biomedizin (M.Sc.) & Trainer des Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung e.V.
Als Muskelkater (dt. Wikipedia, engl. Wikipedia: DOMS) bezeichnet man einen Schmerz in den Muskeln, der typischerweise 24-48h nach dem Training am stärksten ist. Er ist an sich weder gefährlich noch ein Zeichen für ein gutes Training und klingt meist nach 72h oder einigen Tagen wieder ab.
Muskelkater kann sehr unangenehm sein und die Leistungsfähigkeit mindern. Ein leichter Muskelkater ist in der Regel nur etwas unangenehm, ein richtig starker Muskelkater kann schon richtig weh tun.
Wann bekommst du Muskelkater?
Muskelkater tritt typischerweise dann auf, wenn du eine ungewohnte Aktivität ausführst – du bspw. mit einer neuen Übung beginnst.
Bewegungen, die eine starke exzentrische Komponente besitzen, fördern die Entwicklung von Muskelkater. Exzentrisch bedeutet nachgebend. Wenn du dich aus der oberen Position eines Klimmzugs herablässt, ist das der exzentrische Teil der Bewegung. Oder, wenn du bei einer Wanderung bergab läufst, wird dein Körpergewicht von deiner Beinmuskulatur exzentrisch abgefedert (Ein Grund, warum der Abstieg beim Wandern höllischen Muskelkater erzeugen kann.)
Der Kraftsportler, der Ballett macht, wird wahrscheinlich Muskelkater bekommen. Genauso wie der Marathonläufer, der zum ersten Mal schwere Kniebeugen macht. Also: Neue Bewegungen oder ein neuer Bewegungsradius machen dich anfällig für Muskelkater.
Was verursacht Muskelkater?
Früher hat man geglaubt, Muskelkater sei ein Produkt von zu viel Laktat (Milchsäure) im Muskel oder sei ein Symptom von starken Entzündungsvorgängen. Beides ist falsch.
Muskelkater wird vielleicht durch kleine Muskelschäden (Microtrauma) verursacht. Stelle es dir als kleine Risse in deinen Muskelzellen vor. Dadurch könnte eine Vielzahl von kleinen Schwellungen entstehen, die am Ende den gefühlten Schmerz verursachen.
Weiterhin könnten aber auch Schädigungen im Bindegewebe für das unangenehme Gefühl verantwortlich sein. Viele Studien wurden ohne vernünftige Kontrollgruppen durchgeführt. Da dabei Muskelbiopsien (dt. Wikipedia) durchgeführt wurden, können die gemessenen Schäden an den Muskelzellen auch nur durch die Biopsie entstanden sein! 1Malm C. Exercise-induced muscle damage and inflammation: fact or fiction? Acta Physiol Scand. 2001 Mar;171(3):233-9. Review. PubMed PMID: 11412135.
Es ist noch unklar und einiges an Forschung ist nötig, bis wir sagen können, was bei der Entstehung des Muskelkaters wirklich passiert.
Aber um Muskelkater loszuwerden oder zu verhindern muss man nicht wissen, wie er entsteht!
Ist Muskelkater ein Zeichen von gutem Training?
Nach wie vor wird gerne geglaubt, dass Muskelkater ein Zeichen für ein erfolgreiches Training sei.
Die Vorstellung ist verlockend, dass ein starker Muskelkater ein Zeichen für gutes Training sei. Denn eine ordentliche Zerstörung des Muskelgewebes könnte ja zu einem sehr effektiven Trainingsreiz führen. Allerdings ist beim Training mehr nicht immer gleich besser! Es geht darum, die richtige Dosis für deine Ziele zu finden. Wenn du es übertreibst, kannst du vor lauter Schmerzen nur schlecht weiter trainieren und behinderst dadurch deinen Fortschritt.
Ein leichter Muskelkater kann durchaus mit einem guten Training einhergehen. Ein richtig schwerer Muskelkater ist ein Zeichen dafür, dass du es übertrieben hast.
Viele Athleten erfahren nach den ersten Trainingseinheiten praktisch keinen Muskelkater mehr und machen trotzdem Fortschritte.
Muskelkater ist also kein Zeichen für ein gutes Training, kann damit aber einhergehen. Vor allem jedoch ist er ein Indiz für eine ungewohnte Bewegung oder eine zu starke Belastung.
Muskelkater und Muskelwachstum
Muskelkater hängt entgegen der Erwartung vieler Trainierender keinesfalls mit Muskelwachstum zusammen. Muskelkater und Muskelwachstum treten oft zusammen auf (korrelieren), müssen es aber keinesfalls. Viele Trainierende haben nie Muskelkater im Deltoideus, bringen aber diesen Muskel trotzdem wunderbar zum Wachsen. Oder sie haben schrecklichen Muskelkater in den Beinen ohne jegliches Muskelwachstum. Trainierende, die oft und mit großem Trainingsvolumen trainieren, haben weniger Muskelkater, aber “wachsen” normalerweise besser und andersherum.
Zu starker Muskelkater kann dich eher von deinem nächsten Training abhalten und behindert somit deinen langfristigen Fortschritt. Deswegen: Nicht auf den Muskelkater konzentrieren, wenn dir dein Muskelwachstum wichtig ist. Worauf dann fokussieren? Lies unseren Muskelaufbau Guide.
Wie kann man Muskelkater verhindern?
- Starte langsam in neue Trainingsprogramme oder beim Erlernen neuer Übungen. Steigere die Intensität (wie schwer es ist) und das Volumen (wie viel Sätze du machst) über die ersten 2 Wochen langsam.
- Nach einer Pause nur leicht einsteigen! Ja das ist wirklich schwierig umzusetzen. Aber nachdem du einmal den Fehler gemacht hast, wirst du die Schmerzen in Zukunft vermeiden wollen. Eine Reduktion der Satzzahl um die Hälfte und ein Gewicht von 60-70% des Arbeitsgewichts vor der Pause sind ein guter Richtwert.
- Durch regelmäßiges Training wird Muskelkater ein vernachlässigbares Thema. Die meisten Athleten spüren keinen Muskelkater mehr trotz sehr harter Trainingseinheiten. Es ist also eine Frage der Gewöhnung. Du verhinderst Muskelkater langfristig am besten durch regelmäßiges Training der gleichen Bewegungsmuster und Belastungen.
Was kannst du gegen Muskelkater tun?
Wenn es mal soweit ist, fragst du dich vermutlich, was du tun kannst.
Was bringt nichts?:
- Dehnen – Die beschädigte Muskulatur zu dehnen scheint nicht sinnvoll zu sein.2Herbert RD, de Noronha M. Stretching to prevent or reduce muscle soreness after exercise. Cochrane Database Syst Rev. 2007 Oct 17;(4):CD004577. Review.Update in: Cochrane Database Syst Rev. 2011;(7):CD004577. PubMed PMID: 17943822.
Hier einige Dinge die Erleichterung verschaffen. Experimentiere damit, was für dich funktioniert.
- Leichte Bewegung (Spazieren, Schwimmen, Laufen, Fahrradfahren etc.)
- Massagen
- Antioxidantien – Eine gesunde Ernährung mit viel Obst und Gemüse kann helfen. Von zusätzlichen Supplementen raten wir eher ab!
- Fischöl (Omega 3 Fettsäuren) nehmen
- Für Schmerzlinderung NSAIMs (Aspirin, Ibuprofen) – Nur in wirklich harten Fällen und geringen Dosen nehmen. Du linderst damit zwar die Schmerzen, behinderst aber auch Anpassungsvorgänge durch das Training.
Diese Dinge lassen den Muskelkater nicht sofort verschwinden, aber sie können helfen.
Langfristig beugst du Muskelkater am besten dadurch vor, dass du regelmäßig trainierst. Sodass es gar nicht mehr nötig wird, ihn zu bekämpfen, wenn es soweit ist. Muskelkater ist in der Regel nur ein Phänomen der ersten paar Trainingseinheiten bei neuen Bewegungsabläufen. Oft ist er schon bei der 2. und 3. Trainingseinheit praktisch nicht mehr vorhanden.
Wann wieder trainieren gehen?
Bei leichtem Muskelkater solltest du einfach weiter trainieren. Du merkst den Muskelkater häufig nach den ersten Aufwärmsätzen nicht mehr. Das kannst du dir vielleicht davor schwer vorstellen, aber probiere es aus.
Bei schwerem Muskelkater solltest du pausieren. Schwer bedeutet, dass du wirklich Probleme hast, deine Muskeln für alltägliche Bewegungen zu nutzen (Treppen herunterlaufen, aufstehen, Schuhe binden, Beine schmerzen beim Einschlafen). Nach 3 Tagen, bis maximal einer Woche ist der Spuk in der Regel vorbei.
Zusammenfassung
Muskelkater ist nicht gefährlich und vor allem ein Zeichen dafür, dass du es übertrieben hast. In aller Regel ist er nach 72h vorbei.
Schaue, dass du in Zukunft alle Maßnahmen ergreifst, um ihn zu verhindern und wenn es doch dazu kommen sollte, probier unsere Ratschläge aus.
Durch leichten Muskelkater kannst du “hindurchtrainieren”. Bei schwerem Muskelkater solltest du deinem Körper die nötige Erholung geben.
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- Lyle Mcdonald – Bodypart Frequency and Soreness – Q&A
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Bild: shutterstock / Lightspring
Kommentare (4)
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Johannes Steinhart ist Master of Science (M.Sc.) in Biomedizin & Ernährungswissenschaften sowie Fitnesstrainer der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Seine Passion ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Abnehmen, Muskelaufbau und Gesundheit unabhängig, verständlich und praxisnah darzustellen und verbreitete Unwahrheiten zurückzudrängen. Johannes ist Gründer von science-fitness.de (SF). Jedes Jahr erreicht er über 2 Mio. Leser. Außerdem ist er Autor von aktuell 6 Büchern. Mehr.
Danke für den umfangreichen Artikel.
Ich bekomme eigentlich schon verlässlich nach jeder Steigerung Muskelkater, in der Regel nicht unendlich schlimm, aber ich merks schon.
Was mir immer irgendwie unklar ist: es heißt immer Muskelkater ist am zweiten Tag am schlimmsten (meine Erfahrung bestätigt das), gleichzeitig wird aber empfohlen dass immer ein Tag zwischen zwei Krafttrainingseinheiten liegen sollte, das heißt man würde am „schlimmsten Tag“ wieder trainieren. Es sei denn, man macht zwei Tage Pause, aber das mindert ja die Trainingshäufigkeit auf Dauer.
Ich nehm an, dass es nicht sinnvoll ist, zwei Tage nacheinander zu trainieren und dann am dritten und vierten Tag zu pausieren, aber irgendwie frag ich mich schon, was da die „beste“ Lösung ist.
Ich hab zwar auch die Erfahrung gemacht, dass Muskelkater oft durch Bewegung erträglicher wird, aber irgendwie hab ich trotzdem immer ein seltsames Gefühl, wenn ich glaube, dass mein Körper eigentlich noch mit dem alten Trainingsreiz beschäftigt ist, einen neuen hinzuzufügen.
Muskelkater ist kein Indikator für einen (guten) Trainingsreiz. Das ist die Grundaussage des Artikels. Einfach ignorieren und weitermachen.
Was mir immer sehr hilft ist ein 15minütiges vollbad in 10 grad kaltem wasser(also so wies aus der leitung rauskommt am kältesten). hat nen ähnlichen effekt wie ne kältekammer. riesen überwindung am anfang. hilft bombe, machen auch viele leistungssportler (also kältekammer /eisbäder) am besten unmittelbar nachm training
Reduziert allerdings den Trainingseffekt. Wir raten davon ab. Du willst die Entzündungsreaktion nach dem Training nicht unterdrücken, wenn du maximale Adaptationen willst.