Vorsicht: Waage & Gewicht bei Frauen
Johannes Steinhart, Biomedizin (M.Sc.) & Trainer des Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung e.V.

1. Die Waage misst das Gewicht, nicht dein Fett (Hauptproblematik)
Die Waage misst dein Körpergewicht in kg. Moderne Waagen in der Regel auf 0,1 kg genau. Allerdings unterscheidet die Waage nicht, woher dieses Gewicht kommt. Fett, Muskeln, Wasser, Knochen, Magen/Darm-Inhalt? Für deine Waage ist das alles dasselbe. Hast du 2 kg Fett abgenommen und 2 kg Muskeln aufgebaut, sieht dein Körper schon ganz anders aus, die Waage zeigt jedoch dasselbe wie zuvor.

2. Keine Panik, du hast kein Fett zugenommen! Wasser, Zyklus, Verdauung, Stress, Salz, Kohlenhydrate, Krafttraining
Völlig ahnungslos stellst du dich morgens auf die Waage. Auf einmal zeigt sie 1 kg mehr an. PANIK! Wie kann das sein? Eigentlich hast du doch gar nicht so viel gegessen. Wirst du jetzt schon fett, wenn du normal isst? Oder ist dein Stoffwechsel nun völlig am Ende? Nein, das ist es alles nicht. Kurzfristige Gewichtsschwankungen haben fast immer andere Ursachen. Meistens sind Wassereinlagerungen das Problem. Jedoch kann auch die Essensmenge, dein Kohlenhydratkonsum und ein wenig Muskelaufbau eine Rolle spielen.2.1 Weibliche Hormone: massive Wasserschwankungen
- Der weibliche Zyklus dauert im Schnitt 28 Tage (24 bis 32 Tage).
- Starke Schwankungen von Östrogen und Progesteron können zu massiven Wassereinlagerungen führen.
- 1-3 kg Gewichtsunterschiede sind keine Seltenheit.

Vergleiche nur den 7 Tages-Durchschnitt von zwei aufeinanderfolgenden Zyklen. Innerhalb eines Zyklus kann es mehrere kg Wasserschwankungen geben.

Bilde den 7 Tages-Wochendurchschnitt derselben Woche (hier Woche 1) von zwei Zyklen und vergleiche das Ergebnis. Nur so weißt du wirklich, in welche Richtung sich dein Gewicht entwickelt.
2.2 Wassereinlagerungen durch Stress und viel Salz

Übermäßig Salz (NaCl) kann Wasser „ziehen“.

Stress führt zur Ausschüttung von Stresshormonen wie Cortisol, was wiederum an den Aldosteronrezeptor „andocken“ kann und zu Wassereinlagerungen führt.
2.3 Gutes Essen wiegt: Magen-/Darminhalt
In deine Verdauungsorgane passen locker 1-2 kg Nahrung. Normalerweise bleibt diese Menge für 24-48 Stunden in deinen Verdauungsorganen. Isst du besonders viel, kann das auch dein Gewicht steigern. Selbst 1 kg Brokkoli, wiegt 1 kg. Diese Gewichtszunahme ist natürlich nur temporär. Aus dem Brokkoli kann der Körper nur wenig Energie gewinnen und hat folglich auch kaum die Möglichkeit Fett zuzulegen. Für Fettzunahme ist immer noch eine positive kcal-Bilanz notwendig.
Selbst Brokkoli und Lachs wiegen eine Menge. Das ist aber natürlich nicht weiter schlimm.
2.4 Volle Speicher? Kohlenhydrate (Glykogen) in deinen Muskeln
Steigerst du deine Kohlenhydratzufuhr, lagert deine Muskulatur vermehrt Kohlenhydrate (in Form von Glykogen) ein. Glykogen ist nichts anderes als dicht zusammengepackte Kohlenhydrate. Stell es dir wie eine Art Speicherform vor. Bei Bedarf können diese Speicher dann als Energiequelle angezapft werden. 1 g Glykogen bindet aber auch 3 g Wasser. Deine Glykogenspeicher bieten Platz für ca. 500-700 g Glykogen. Lagerst du beispielsweise 200 g Kohlenhydrate ein, bedeutet dies eine Gewichtszunahme von 0,8 kg (= 200 g Glykogen + 600 g Wasser). Dieses Gewicht hat wieder absolut nichts mit einer Fettzunahme zu tun.
Spaghetti füllen deine Glykogenspeicher (Kohlenhydratspeicher) in deinen Muskeln und deiner Leber.
2.5 Das Gewicht von Schönheit: Krafttraining und Muskeln
Ordentliches Krafttraining kann und soll zu Muskelaufbau führen. Vor allem, wenn du gerade damit beginnst oder erst seit einem halben Jahr trainierst. Dieser Zuwachs an Muskulatur ist sehr erwünscht, denn deine Figur wird dadurch „straffer“ und „knackiger“. Allerdings steigt durch diesen Muskelzuwachs auch dein Gewicht und du könntest auf den Gedanken kommen, dass du Fett zugenommen hast. In Wirklichkeit hast aber nur ein wenig Muskeln aufgebaut. Hältst du parallel ein kcal-Defizit, hast du vielleicht sogar eine schlankere Taille oder schmalere Hüfte bekommen. Trotzdem hat sich dein Gewicht nicht verändert. Im Gegensatz zu Männern können Frauen nur ca. halb so schnell Muskeln aufbauen. Im ersten Trainingsjahr maximal ~5 kg. Im zweiten Trainingsjahr nur noch 2,5 kg. Das aber nur bei sehr gutem und regelmäßigem Krafttraining.Trainingsjahr | Möglicher Muskelaufbau für Frauen |
---|---|
1. Jahr | 5 kg Muskelmasse |
2. Jahr | 2,5 kg Muskelmasse |
3. Jahr | 1 kg Muskelmasse |
4. + Jahr/e | 0,5 kg Muskelmasse |
2. Was sollst du nun tun mit der Waage?
Die Waage sagt also kurzfristig relativ wenig darüber aus, ob du Fett zu- oder abnimmst. Schmeißen wir nun die Waage aus dem Fenster und schreien, dass sie eh nur Quatsch anzeigt? Nein, das tun wir nicht. Warum? Weil die Waage durchaus ein gutes Tracking-Werkzeug (Gewichtskontrolle, Feedback) ist, sofern du richtig mit ihr umgehst und vor allem die Ergebnisse richtig interpretierst. Der langfristige Gewichts-Trend ist durchaus geeignet, um zu verfolgen, ob du Fett zu- oder abnimmst. Über Wochen gesehen ist die Waage gut, um zu sehen, wohin die Reise geht. Ist die Diät erfolgreich? Hältst du dein Gewicht? Das alles kannst du durchaus mit der Waage sehen.
3. So setzt du die Waage richtig ein (exklusiv für Frauen)
- Immer zum selben Zeitpunkt messen: morgens, nach dem Aufstehen und nach dem Toilettengang, ohne Kleidung.
- Gewichtsänderungen über 1-3 Tage sagen praktisch nichts darüber aus, ob du Fett zu- oder abnimmst. Eher etwas über: Wassereinlagerungen, Stress, Salz-, Kohlenhydrat- und gesamter Essensmenge.
- Vergleiche immer nur 7 Tages-Durchschnittswerte derselben Wochen zweier Zyklen (beispielsweise immer Woche 1 deines Zyklus). Du kannst sinnvollerweise nur den Wochendurchschnitt aus Zyklus A, mit dem korrespondierenden Wochendurchschnitt aus dem folgenden Zyklus B vergleichen.
- Hast du mit Krafttraining neu begonnen oder steigerst du dich im Training, kalkuliere eine Gewichtszunahme durch Muskelwachstum mit ein.

- Körperfettanteil (KFA) – Bilder, Rechner, Bestimmung, Erklärungen
- Fitness Guide für Frauen – Wie du schlank wirst und deinen Körper wirklich „straffst“.
- Abnehmen Guide – Fett verlieren durch intelligentes Diäten.
- Gewichtsabnahme ist nicht gleich Fettabnahme! – Verstehe den Unterschied zwischen Fettabnahme und reinem Gewichtsverlust.
- Eingeschlafener/ kaputter Stoffwechsel & Hungerstoffwechsel – was ist wirklich dran?
Kommentare (4)
Schreibe einen Kommentar
Neu hier? So können wir dir bei deinen Zielen helfen
Willkommen in unserer einzigartigen Fitness-Community
Hier findest du die wichtigsten Ressourcen, die dir dabei helfen, deine Fitnessziele zu erreichen – und das Beste daran: Fast alles ist völlig kostenlos.
-
Guides zu den wichtigsten Themen:
-
Trainingspläne und Diäten:
Finde passende Trainingspläne und Diäten für dein Ziel. -
Beliebte Rechner:
-
Komplette Programme (E-Books)
Ein konkretes Ziel optimal erreichen:Schnell abnehmen HSDLangsam abnehmen BURNMehr Muskeln & weniger Fett RekompositionHypertrophie Xplode#1, Fitladies#1 -
Beratung oder Fragen?
In unserem Forum findest du unzählige hochkompetente Gleichgesinnte mit jahrelanger Erfahrung. Stöbere in Threads oder erfrage Empfehlungen für deine aktuelle Situation.
Nutze unsere neue fitness3 App
Dein persönlicher Trainingsbegleiter für optimale Ergebnisse
Optimale Trainingspläne erstellen
Wissenschaftlich fundierte Pläne für deine Ziele
Jedes Training loggen
Detaillierte Aufzeichnung deiner Fortschritte
Entwicklung verfolgen
Visualisiere deine Erfolge und Trends

Schnell Muskeln aufbauen & Fett abnehmen (ohne Jojo-Effekt!)
Im kostenlosen "no Bullshit" FITNESS-Kurs lernst du, was wirklich funktioniert!
Das haben andere erreicht
Über den Autor

Johannes Steinhart ist Master of Science (M.Sc.) in Biomedizin & Ernährungswissenschaften sowie Fitnesstrainer der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Seine Passion ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Abnehmen, Muskelaufbau und Gesundheit unabhängig, verständlich und praxisnah darzustellen und verbreitete Unwahrheiten zurückzudrängen. Johannes ist Gründer von science-fitness.de (SF). Jedes Jahr erreicht er über 2 Mio. Leser. Außerdem ist er Autor von aktuell 6 Büchern. Mehr.
Vielen Dank für den super Artikel!
Dass während meines Zyklus das Gewicht schwankt, wusste ich bereits, wegen Wassereinlagerungen usw..
Aber trotzdem muss ich es jedes Mal nachlesen, wenn ich plötzlich von 77,7 wieder auf 82,3 geschossen bin und wieder zurück.
Man sollte regelmäßig jede Frau daran erinnern- und vor allem auch, dass die Schwankungen nicht bloß EIN Kilo betragen können, sondern durchaus auch mal zwei, drei, vier… da kann man sich schon mal schnell selbst verar…..
Danke auch für alle Infos drumherum, es gibt wenige Verfasser im Netz, die SO fundiert und sachlich und detailliert erklären, was da passiert.
Ich schau jetzt auf jeden Fall öfter auf dieser Seite vorbei! Gibt es auch einen Artikel zur Gewichtsabnahme oder richtiger Ernährung bei einer Schilddrüsenunterfunktion?
Ich hasse es ja, wenn mir die Hausärztin und der Gynäkologe Standarttipps zum Abnehmen vorbeten, die ich längst kenne und mit denen ich seit Jahren scheitere (ich habe insgesamt 15 Kilo zugenommen innerhalb der lezten acht Jahre, trotz oder wegen monatelangem Low Carb, Intervallfasten und co).
Liebste Grüße
Chantalle
Super Artikel!
Er erklärt endlich mal alle wichtigen Details und Fehlinterpretationen, durch die sich Frauen teilweise unnötig stressen und verrückt machen, nur weil sich deren Gewicht auf der Waage erhöht hat.
Sehr schon aufbereitet, danke! Die Waage sollte einen festen Standplatz haben. Verstellt man sie, zeigen sich unterschiedliche Ergebnisse: auf den Badezimmerfliesen -1kg, auf den Dielen im Flur +2kg, auf dem Teppich im Schlafzimmer +- 0kg. Menschen, die eine schräge Beziehung zur Waage aufgebaut haben, stellen diese mitunter in den Schrank – und wundern sich über die Zahl, die sich allein durch den neuen Standort ergibt, wenn man sie wieder rausholt.
Gilt ja fast alles auch für Männer – super Artikel!