Science Fitness

Wofür sind die unterschiedlichen Wiederholungsbereiche gut?

Feb, 2022

Johannes Steinhart, Biomedizin (M.Sc.) & Trainer des Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung e.V.

Lange Zeit hat man Wiederholungsbereiche im Krafttraining in folgende Kategorien unterteilt:

Maximalkraft 1-5 Wiederholungen
Muskelaufbau 8-12 Wiederholungen
Kraftausdauer 15-25 Wiederholungen

Doch neuere Studien zeigen, dass du für Muskelaufbau mit fast jedem Wiederholungsbereich trainieren kannst.1Schoenfeld BJ, Grgic J, Ogborn D, Krieger JW. Strength and Hypertrophy Adaptations Between Low- vs. High-Load Resistance Training: A Systematic Review and Meta-analysis. J Strength Cond Res. 2017 Dec;31(12):3508-3523. doi: 10.1519/JSC.0000000000002200. Review. PubMed PMID: 28834797.2Morton RW, Oikawa SY, Wavell CG, Mazara N, McGlory C, Quadrilatero J, Baechler BL, Baker SK, Phillips SM. Neither load nor systemic hormones determine resistance training-mediated hypertrophy or strength gains in resistance-trained young men. J Appl Physiol (1985). 2016 Jul 1;121(1):129-38. doi: 10.1152/japplphysiol.00154.2016. Epub 2016 May 12. PubMed PMID: 27174923; PubMed Central PMCID: PMC4967245. 3Schoenfeld BJ, Peterson MD, Ogborn D, Contreras B, Sonmez GT. Effects of Low- vs. High-Load Resistance Training on Muscle Strength and Hypertrophy in Well-Trained Men. J Strength Cond Res. 2015 Oct;29(10):2954-63. doi: 10.1519/JSC.0000000000000958. PubMed PMID: 25853914.

Zumindest, solange du die Sätze in Nähe des Muskelversagens trainierst (Muskelversagen = du kannst keine weiteren Wiederholungen mehr ausführen).

30 Wdh kurz vor dem Muskelversagen führen also zu einem ähnlichen Muskelaufbau wie 5 Wdh bis kurz vor Muskelversagen. Warum ist das so? Lies: Wie viele Wiederholungen sind optimal für Muskelaufbau? (effektive Wdh & Praxis)

Aber Achtung. Dies gilt nur für Muskelaufbau.

Denn: Für Maximalkraft und Kraftausdauer haben die Wiederholungsbereiche ihre Berechtigung.

Du wirst in dem Wiederholungsbereich besser, in dem du trainierst

  • Trainierst du überwiegend mit 1-5 Wdh, wirst du besser im Bereich von 1-5 Wdh.
  • Trainierst du überwiegend mit 8-10 Wdh, wirst du besser im Bereich von 8-10 Wdh.
  • Trainierst du überwiegend mit 25-30 Wdh, wirst du besser in diesem Bereich.

Warum ist das so?

Der Körper passt sich an das an, was du von ihm forderst.

Bei niedrigen Wdh (1-5 Wdh) mit schwerem Gewicht spielen neuronale Anpassungen (Nervensystem) eine zentrale Rolle. Zum Beispiel wie viele Muskelfasern du gleichzeitig aktivieren kannst. Dies ist für deine Maximalkraft sehr wichtig. Daher trainieren Gewichtheber überwiegend in diesem Bereich.

Bei hohen Wiederholungszahlen (25-30+) kommt der Energieversorgung eine leistungsbestimmende Rolle zu. Zum Beispiel, wie viel Energie du unter Belastung produzieren kannst. Oder wie schnell du anfallende „Abfallstoffe“ wie Laktat abtransportierst. Mit diesem Training steigerst du deine Kraftausdauer. Deine Maximalkraft wirst du damit allerdings kaum steigern.

Trainierst du in der Mitte zwischen diesen Bereichen (8-10 Wdh) bekommst du eine Mischung von Anpassungen. Sowohl neuronale als auch die metabole Komponente wird trainiert.

Und wie sieht es aus bzgl. Muskelaufbau?

Muskelaufbau funktioniert in allen Wiederholungsbereichen

Muskelwachstum ist weniger spezifisch an einen bestimmten Wiederholungsbereich gebunden.

Viel mehr zählt hier die sogenannte „Anstrengungs“-Intensität. Vereinfacht gesagt: wie anstrengend sind die letzten Wiederholungen eines Satzes.

Solange du am Ende deines Satzes kaum noch weitere Wiederholungen ausführen kannst, trainierst du auf Muskelwachstum.

Daher sind auch Vorstellungen, man trainiere mit 5 Wdh nur auf Kraft und löse kein Muskelwachstum aus, falsch. Mit 5×5 Trainingsprogrammen lassen sich hervorragend Muskeln aufbauen.

Die häufige Beobachtung, dass Anfänger mit 15-20 Wdh keine Muskeln aufbauen, hat vermutlich mehr damit zu tun, dass sie nicht in die Nähe des Muskelversagens trainieren, als mit dem Wdh-Bereich per se.

Gleichwohl wirst du feststellen, dass die meisten unserer Trainingspläne für Muskelaufbau einen Wiederholungsbereich von 6-12 Wdh empfehlen. Dies hat jedoch nicht damit zu tun, dass du nur in diesem Wiederholungsbereich Muskeln aufbauen könntest. Vielmehr lassen dich 6-12 Wdh in kurzer Trainingszeit den größten Effekt erzielen und führen zu der geringsten unnötigen Erschöpfung

Andere Effekte von Wiederholungsbereichen

  • Kalorienverbrauch: Mehr Wiederholungen führen meist zu mehr Gesamtarbeit und damit zu einem höheren Kalorienverbrauch (mit Kalorienrechner simulieren).
  • Glykogen: Viele Wdh verbrennen mehr Glykogen. Niedrigere Glykogenspiegel führen zu einer gesteigerten Fettverbrennung. Diesen Effekt kannst du für die Fettabnahme nutzen (wird zum Beispiel in der BURN-Diät mit den FatBURN-Protokollen genutzt).
  • Starke Knochen: Eine geringe Knochendichte ist ein zunehmendes Problem in unserer inaktiven Gesellschaft. Knochengewebe reagiert auf Last. Schwere Gewichte mit wenig Wiederholungen führen zu einer besseren Zunahme von Knochenmasse.4Kistler-Fischbacher M, Weeks BK, Beck BR. The effect of exercise intensity on bone in postmenopausal women (part 2): A meta-analysis. Bone. 2021 Feb;143:115697. doi: 10.1016/j.bone.2020.115697. Epub 2020 Dec 24. PMID: 33357834.

Daher ist es immer wichtig zu wissen, was man überhaupt mit dem eigenen Krafttraining erreichen will.

Am einfachsten ist es, wenn du ein einziges klares Ziel verfolgst. Dann kannst du deinen Wiederholungsbereich gezielt wählen.

Willst du mehrere Ziele gleichzeitig erreichen, musst du die jeweiligen Reize auch gleichzeitig in dein Training bringen. Entweder in einer Trainingseinheit. Oder aber über die Woche verteilt in unterschiedlichen Trainingseinheiten.

Fazit

  • Du wirst in dem Wiederholungsbereich gut, indem du überwiegend trainierst.
  • Für Muskelaufbau ist die Anstrengungsintensität entscheidend (= bis kurz vor oder an das Muskelversagen trainieren).
  • Der genaue Wiederholungsbereich ist für Muskelaufbau sekundär.
  • Gleichwohl ist ein Wdh-Bereich von 6-12 Wdh aus Effizienzgründen zu empfehlen.
  • Für Maximalkraft führt kein Weg an schweren Gewichten und damit verbunden niedrigen Wiederholungsbereichen vorbei.
  • Für Muskelausdauer musst du mit vielen Wiederholungen und mittlerem bis niedrigem Gewicht arbeiten.

Ein Kommentar

  1. Toni sagt:

    Hallo,

    „[…] solange du die Sätze in Nähe des Muskelversagens trainierst […]“

    Sollte man eigentlich in jedem Satz am Muskelversagen kratzen oder lediglich beim letzten?
    Bislang habe ich die Pläne so verstanden, dass z.B. bei 3×8-10 die ersten beiden Sätze gestoppt werden bei 10 auch wenn mehr möglich wäre um „irgendwann“ im dritten bei 10 mit letzter Kraft anzukommen (und dann mit erhöhtem Gewicht wieder bei 8/8/8 zu starten).

    Man könnte ja auch jeden Satz ausreizen, würde dann aber evtl. im letzten nie auf 10 kommen und im ersten bereits über 10 sein!?

    Danke und Grüße

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Über den Autor

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Johannes Steinhart ist Master of Science (M.Sc.) in Biomedizin & Ernährungswissenschaften sowie Fitnesstrainer der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Seine Passion ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Abnehmen, Muskelaufbau und Gesundheit unabhängig, verständlich und praxisnah darzustellen und verbreitete Unwahrheiten zurückzudrängen. Johannes ist Gründer von science-fitness.de (SF). Jedes Jahr erreicht er über 2 Mio. Leser. Außerdem ist er Autor von aktuell 6 Büchern. Mehr.

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