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Kalorienverbrauch – Wie er sich wirklich zusammensetzt

Dez, 2021

Johannes Steinhart, Biomedizin (M.Sc.) & Trainer des Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung e.V.

Wieviel dein Körper pro Tag an Energie verbraucht ist von unterschiedlichen Komponenten abhängig. Einige davon kannst du beeinflussen, andere nicht.

Wie setzt sich der Kalorienverbrauch des Körpers zusammen?

  1. Resting Metabolic Rate (RMR) – Auf deutsch auch als Grundumsatz bekannt.
  2. Thermic Effekt of Food (TEF) – Energie, die für die Verstoffwechselung der Nahrung verbraucht wird.
  3. Thermic Effect of Activity (TEA) – Kcal, die du für bewusste Bewegungen (Training, Sport) benötigst.
  4. None Exercise Activity Thermogenesis (NEAT) – Kcal, die für alle unbewussten Bewegungen benötigt werden (Herumlaufen, Putzen, Herumzappeln, Aufräumen, Arbeit etc.)
Zusammensetzung des Energieverbrauchs

Zusammensetzung des Energieverbrauchs. Quelle: Melanson et al., 2013

1. “Resting Metabolic Rate” (RMR)

Die RMR ist die Energie, die du verbrauchst, wenn du einen Tag ohne dich zu bewegen ausschließlich im Bett liegst. (nüchtern, bei Raumtemperatur) Es ist die Energie, die für die Aufrechterhaltung aller Grundfunktionen deines Körpers –  beispielsweise für Atmung, Blutfluss, Gehirnfunktion, Immunsystem etc. – benötigt wird.

Für den typischen inaktiven oder sehr wenig aktiven Menschen macht die RMR 60-80% des Gesamtenergiebedarfs eines Tages aus. Diese Zahl verschiebt sich natürlich bei sehr hoher Aktivität.

Die Größe deiner RMR ist von Körpergewicht, fettfreier Masse (Muskeln), vom Geschlecht, Alter und deiner Genetik abhängig. Auch wenn du vielleicht schon viel über schnelle oder langsame Stoffwechsel gelesen hast, für die allermeisten Menschen gibt es nur geringfügige Unterschiede.

Über 90% der Bevölkerung liegen bei gleicher Körperzusammensetzung mit ihrem Ruhestoffwechsel (RMR) im Bereich von 0 – 200 kcal um den Durchschnittswert.

Mehr dazu in “Der Stoffwechsel – Alles was du wissen musst”.

Du kannst nicht viel tun, um deine RMR zu verändern. Eine Zu- oder Abnahme von Körpergewicht hat noch den größten Einfluss. Beim Abnehmen hilft es, die Muskulatur so gut es geht zu erhalten. Die Zunahme von Muskelmasse zur Steigerung des Energieverbrauchs bringt nicht so viel, wie oft behauptet wird. (Ein Artikel über den tatsächlichen Verbrauch von Muskelmasse in Ruhe kommt noch demnächst.)

2. “Thermic effect of food” (TEF)

Die Aufnahme, Verstoffwechselung und Speicherung von Nahrung benötigt Energie. Das ist ein sehr energieaufwändiger Prozess.

Bei einer durchschnittlich westlichen Ernährung rechnet man mit einem zusätzlichen Energieverbrauch von 10% der zugeführten Nahrung. Das sind immerhin 250 kcal bei einem Tagesverbrauch von 2500 kcal! Dies ist allerdings nur ein Durchschnittswert.

Die jeweiligen Makronährstoffe haben unterschiedliche TEF-Werte:1 Tappy L. Thermic effect of food and sympathetic nervous system activity in humans. Reprod Nutr Dev. 1996;36(4):391-7. Review.

  • Fett: 0-3%,
  • Kohlenhydrate: 5-10%
  • Protein: 20-30%
  • Alkohol: 10-30%

Ein Beispiel: Von 300 kcal Protein werden ca. 60-100 kcal zur Verstoffwechselung herangezogen, bei 300 kcal Kohlenhydraten sind es hingegen nur 15-30 kcal. In der Realität hat man natürlich meist einen Mix dieser Werte, da man in der Regel nicht nur einen Makronährstoff zu sich nimmt.

Unverarbeitete Lebensmittel benötigen ebenfalls mehr Energie bei der Verdauung und Aufnahme als hochverarbeitete Lebensmittel. Allerdings sind die Unterschiede sehr gering. Doch Kleinvieh macht auch Mist.

Mit einer proteinreichen Ernährung mit vielen unverarbeiteten Lebensmitteln kannst du jeden Tag 50-100 kcal mehr verbrauchen als mit einer proteinarmen Ernährung mit hochverarbeiteten Lebensmitteln. 

Interessant: Auch Alkohol hat einen recht hohen TEF-Wert. Die hat wohl mit der aufwendigen Abbau- und Entgiftungsleistung des Körpers nach Alkohol-Konsum zu tun.

3. Thermic Effect of Activity (TEA)

Damit ist die Energie gemeint, die du bei bewusster Bewegung wie Sport oder Trainingseinheiten verbrauchst. Jede Form von Bewegung über deiner Aktivität im Alltag hinaus verbraucht zusätzliche Energie. Egal ob Krafttraining, Joggen oder sonstige Sportarten.

Die meisten Aktivitäten eines durchschnittlich Trainierenden verbrauchen ca. 300-500 kcal pro Stunde. Im Verhältnis zum Gesamtverbrauch bietet das aktive Training eine gute Einflussmöglichkeit auf den Kalorienverbrauch. Aber es verbrennt nicht so viel, dass Abnehmen immer automatisch geschieht.

Das ist auch einer der Gründe, warum du für das Abnehmen einen viel stärkeren Hebel über deine Ernährung hast. Denn eine halbe Stunde Joggen verbraucht selten mehr Energie als ein Brötchen liefert.

Der Nachbrenneffekt des Trainings (engl. Wikipedia „EPOC“) ist übrigens größtenteils kleiner als erhofft. Für die allermeisten Aktivitäten beträgt dieser weniger als 10% der zusätzlich beim Sport verbrauchten Energie. Wenn dein Training 350 kcal verbraucht, verbrennst du danach nur 35 kcal zusätzlich. 

4. “None Exercise Activity Thermogenesis” (NEAT)

NEAT sind alle Bewegungen, die du den ganzen Tag machst, die eher nicht bewusster Natur sind. Das bedeutet Aktivitäten wie: herumzappeln, am PC schreiben, stehen, gehen etc. 2Levine JA. Non-exercise activity thermogenesis (NEAT). Best Pract Res Clin Endocrinol Metab. 2002 Dec;16(4):679-702. Review. Man könnte denken, diese Aktivitäten machen nicht viel aus. Aber es addiert sich und unterm Strich sehen wir einen sehr großen Kalorienverbrauch durch NEAT.

Das Ausmaß von NEAT kann zwischen Menschen sehr stark variieren. Das reicht von 15% (375 kcal) für viel Sitzende bis zu 50% (1250 kcal) oder noch mehr des gesamten Kalorienverbrauchs eines Tages für sehr aktive Menschen (Zahlen am Beispiel von 2500 kcal Gesamtverbrauch). 3Levine JA. Nonexercise activity thermogenesis (NEAT): environment and biology. Am J Physiol Endocrinol Metab. 2004 May;286(5):E675-85. Review. Erratum in: Am J Physiol Endocrinol Metab. 2005 Jan;288(1):E285. PubMed PMID: 15102614. Das ist ein Unterschied von mehr als 1000 kcal pro Tag!

Jemand mit einem sehr hohen NEAT-Wert kann also gut und gerne eine große Pizza pro Tag mehr essen als eine Person mit einem sehr niedrigen NEAT-Wert – zusätzlich zu der ansonsten identischen Ernährung. Im Vergleich dazu spielen die oben beschriebenen Unterschiede der RMR oder des TEF-Werts eher eine untergeordnete Rolle.  Damit kann NEAT mit den größten Einfluss auf deinen Kcal-Verbrauch haben.

Es ist der Unterschied zwischen einem Bürojob und anschließendem Abend vor dem TV und demjenigen, der bei seiner Arbeit immer auf den Beinen ist, danach zum Shoppen geht und noch den Haushalt macht. Das ist ein Teil der Erklärung dafür, warum manche Menschen scheinbar einfach nicht zunehmen, obwohl sie viel essen.

NEAT kann sich auch infolge einer zu hohen Kalorienzufuhr steigern. In einer Studie reagierten manche Menschen auf ein 1000 kcal Überschuss mit einer 700 kcal NEAT Erhöhung.4Vanltallie TB. Resistance to weight gain during overfeeding: a NEAT explanation. Nutr Rev. 2001 Feb;59(2):48-51. Review. PubMed PMID: 11310775. Dieses Phänomen könnte bei den sogenannten „Hardgainern“ einer Rolle spielen.

Auch bei Diäten kann es passieren, dass der Körper seinen NEAT-Verbrauch zurückfährt, um Energie zu sparen.5Melanson EL, Keadle SK, Donnelly JE, Braun B, King NA. Resistance to exercise-induced weight loss: compensatory behavioral adaptations. Med Sci Sports Exerc. 2013 Aug;45(8):1600-9. doi: 10.1249/MSS.0b013e31828ba942. Review. PubMed PMID: 23470300; PubMed Central PMCID: PMC3696411. Link Die Höhe des NEAT-Werts hat eine biologische und eine umweltbezogene Abhängigkeit. Zum einen gibt es Unterschiede, wie Menschen auf zu viel oder zu wenig Essen mit ihrem NEAT reagieren, zum anderen hängt der NEAT-Wert stark davon ab, in welcher Umwelt (Job, Fortbewegung, Freizeitgestaltung, PC, Couch etc.) du dich befindest.

Ein sehr träger Lebensstil macht im Vergleich zu einem aktiven Lebensstil (nur leichte Bewegung, kein aktives Training: Putzen, “auf den Beinen sein”, Gartenarbeit) schnell einen Mehrverbrauch von 600 kcal aus! 6Ohkawara K, Tanaka S, Ishikawa-Takata K, Tabata I. Twenty-four-hour analysis of elevated energy expenditure after physical activity in a metabolic chamber: models of daily total energy expenditure. Am J Clin Nutr. 2008 May;87(5):1268-76. PubMed PMID: 18469249.

Zusammenfassung

Jetzt hast du einen Überblick darüber, aus welchen Komponenten sich der Energieverbrauch deines Körpers wirklich zusammensetzt. Auf gewisse Komponenten kannst du Einfluss nehmen, auf andere hingegen nicht.

  • RMR: Nicht groß beeinflussbar. Außer über die Körpermasse (und in geringem Umfang auch über die Muskelmasse).
  • TEF: Durch eine proteinreiche Ernährung mit vielen unverarbeiteten Lebensmitteln, kannst du etwas Einfluss auf den Energieverbrauch nehmen.
  • TEA: Hier kannst du was tun. Regelmäßiger Sport und Training verbrauchen zusätzlich Energie.
  • NEAT: Ein aktiver Lebensstil kann große Unterschiede beim Kalorienverbrauch machen.

Wenn du mehr Kalorien verbrauchen willst, hilft ein aktiver Lebensstil, regelmäßiges Training und eine proteinreiche Ernährung. Das hast du vielleicht schon einmal gehört, aber jetzt kannst du wahrscheinlich auch besser nachvollziehen warum. Denn 200-300 kcal Mehrverbauch/Tag summieren sich über die Zeit.

Wenn du wissen willst, wie viele Kalorien du verbraucht, benutze unseren Kalorien-Verbrauchs-Rechner. Wenn du eigentlich herausfinden willst, wie du abnehmen kannst bzw. Fett loswerden willst, lies unseren Abnehmen-Guide. Denn die Kalorienaufnahme ist für’s Abnehmen wesentlich wichtiger als der Kalorienverbrauch, da dieser viel leichter zu verändern ist.

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Kommentare (5)

  1. Erik sagt:

    Wie schauts mit dem Kaloriendefizit aus? Gibt es dort eine Grenze, also was würde passieren wenn mein Kalorienverbrauch so aussehe: Grundumsatz 1600kcal; Leistungsumsatz 1800kcal; Kalorienaufnahme: 2000. Das wäre ja dann ein Defizit von 1400, würde dies also den Fettabbau stoppen bzw würde sich der Körper Fettreserven anlegen, da ich in der Zeit keinen Hunger verspüre und ich über meinem Grundumsatz komme.
    LG

  2. Sebastian sagt:

    Mich würde mal interessieren, wie sich der TEF auf das Nahrungsvolumen auswirkt.
    Angenommen man isst 3000 Kcal mit der Makronährstoffaufteilung (50%KH,25%P,25%F) bestehend aus Junk und Fastfood (wenig Nahrungsvolumen) und einen Tag später wieder 3000 Kcal mit der gleichen Makronährstoffaufteilung aber mit gesunden Lebensmitteln Obst Gemüse usw. und damit ein hohes Nahrungsvolumen. Ist der TEF dann identisch? Ich würde vermuten, dass alleine durch dass größere Volumen auch mehr Energie für die Verdauung benötigt wird oder spielt das keine Rolle? Schönen Gruß

  3. Carina sagt:

    Wichtig wäre vielleicht auch noch zu erwähnen, dass davon abzuraten ist unter dem Grundumsatz (RMR) zu liegen!
    Es ist wichtig das MINDESTENS der Grundumsatz als Energie durch das Essen aufgenommen wird!
    Manche kommen bei einer Diät durchaus auf gefährliche Gesamtkalorien, wo es dann nicht einmal die Hälfte des RMR’s ist.
    Und dann versuchen sie dazu noch einen extrem hohen TEA-Wert zu erlangen.. Viel hilft leider nicht immer viel! :/

    Auf jeden Fall ein super Artikel um Licht ins Dunkel zu bringen!
    Weiter so! :)
    Sportliche Grüße sendet Euch
    Carina

    1. Mona sagt:

      Wenn man Übergewicht hat, holt sich der Körper die restliche Energie aus den Fettreserven. Das wär zumindest logisch, dazu sind die Reserven da. Es gibt doch auch Menschen, die fasten und denen geht es auch halbwegs ok.

  4. Melanie sagt:

    Danke für diesen super Artikel!

    Ein Büro Job, macht es einem ganz schön schwer aktiv über den Tag zu bleiben.

    Freue mich darauf mehr zu diesem Thema zu erfahren:
    Die Zunahme von Muskelmasse bringt nicht so viel um den Energieverbrauch zu steigern wie oft behauptet. (Ein Artikel über den tatsächlichen Verbrauch von Muskelmasse in Ruhe kommt noch demnächst.)

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Über den Autor

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Johannes Steinhart ist Master of Science (M.Sc.) in Biomedizin & Ernährungswissenschaften sowie Fitnesstrainer der Deutschen Fitnesslehrer Vereinigung (DFLV). Seine Passion ist es, wissenschaftliche Erkenntnisse zu Abnehmen, Muskelaufbau und Gesundheit unabhängig, verständlich und praxisnah darzustellen und verbreitete Unwahrheiten zurückzudrängen. Johannes ist Gründer von science-fitness.de (SF). Jedes Jahr erreicht er über 2 Mio. Leser. Außerdem ist er Autor von aktuell 6 Büchern. Mehr.

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